DIO
DIO 1
SN1, 1
Dom- und Diözesanmuseum
847–856, 854?
Beschreibung
Reliquiengrab des hl. Bonifatius. Hochrechteckiger Kalksteinblock, bekannt als sogenannter Priesterstein, heute in der mittelalterlichen Abteilung des Dom- und Diözesanmuseums (Inventar-Nr. PS 00146). Gefunden im Jahr 1857 bei Baumaßnahmen im Garten des ehemaligen Kapuzinerklosters. Das Kloster wurde im Jahr 1618 gegründet und befand sich bis zu seiner Zerstörung bei der Belagerung von Mainz im Jahr 1793 gegenüber der Ignazkirche, kann also nicht der ursprüngliche Standort des Steines sein. Den vermutete man früher an zwei anderen Stellen, einerseits im Benediktinerkloster St. Alban, da man seit 1632 die Gebäude dieses Klosters als Steinbruch für den Bau des Kapuzinerklosters nutzte,1​ andererseits in der Nikomedeskirche, da man sich nach deren Abbruch im Jahr 1622 auch dieser Steine zum Bau des Klosters bediente.2​ Der hochrechteckige Steinblock ist auf allen vier Seiten reliefiert. Die Schauseite zeigt eine männliche Figur in einer tiefen Nische. Gerahmt wird diese Nische von einer Säulenarkatur, die auf einem leicht nach vorne gewölbten Podest ruht. Die sich nach oben verjüngenden Säulen sitzen mit ihren Basen, die ein nahezu attisches Profil aufweisen, auf rechteckigen Plinthen auf und werden nach oben hin von trapezförmigen Blattkapitellen abgeschlossen. Diese tragen den mit einem Palmettenmotiv reliefierten Arkadenbogen. In den Zwickeln seitlich dieses Bogens neigen sich zu beiden Seiten dreigelappte Blätter der Mitte zu. Die männliche Figur, die dem Betrachter frontal zugewandt ist, stößt mit dem Kopf direkt an den Bogen an, lässt folglich keinen Raum mehr für einen Nimbus. Bekleidet ist sie mit einer bis zum Boden reichenden Albe mit darüber liegender knielanger Dalmatik und einer Kasel; diese Gewänder weisen die Person eindeutig als Priester aus. Trotz starker Beschädigung des Kopfes kann man das kurz geschnittene Haar, die Geheimratsecken sowie die Brauenbögen erkennen. In seiner rechten Hand hält der Geistliche einen Kreuzstab, der sich an seiner rechten Schulter anlehnt, in der linken ein geöffnetes Buch mit einer Inschrift (A), die auf der linken Seite vierzeilig und auf der rechten Seite dreizeilig verläuft. Auf der Rückseite befindet sich ebenfalls unter einer Arkade ein flach reliefiertes lateinisches Vortragekreuz, das auf einem Podest aufsitzt. Der Arkadenbogen, der das Relief eines merkwürdig gewundenen Akanthusrankenmotivs zeigt, wird von Stützen mit zwei sorgfältig ausgeführten Kanneluren getragen. Die Kanneluren weisen oben und unten pfeifenähnliche Bohrlöcher auf. Der Pilaster endet oben in zwei sich nach außen rollenden Voluten, die nahtlos aus dem mittleren Steg der Kanneluren entwachsen. In den Zwickeln über den Bogen laufen, wie bei der Vorderseite, längliche Blätter zur Mitte hin. Die Kreuzarme, die mit einer von oben nach unten zu lesenden Inschrift (B) beschrieben sind, verbreitern sich leicht zu den Enden hin. Ebenso der Schaft, der sich nach oben hin wieder verjüngt und in der Mitte eine nodusartige Verdickung ausbildet. Beide Schmalseiten des „Priestersteins“ werden von äußeren Wülsten gerahmt und von einer Wellenranke mit intermittierend angeordneten Halbpalmetten ausgefüllt. Diesen entwachsen in unregelmäßigen Abständen Weintrauben und Dreiblätter. Der Steinblock zeigt vor allem an der Oberseite starke Beschädigungen. Offensichtlich wurde an dieser Stelle am Stein nachträglich ein Stück abgeschlagen, um dort einen bandförmigen Haken anbringen zu können. Möglicherweise setzte sich dieser Stein ursprünglich nach oben hin als ein steinernes Kreuz fort; diese Überlegung leitet sich von dem möglichen Vorbild angelsächsischer Hochkreuze und des vermeintlichen Bonifatiuskreuzes von Eschborn/Sossenheim ab.3​ Eine weitere Metallklammer befand sich vermutlich am unteren Ende der linken Schmalseite, da man an dieser Stelle eine weitere Furche erkennen kann.4​ Wie bereits erwähnt, weist auch die Schauseite, vor allem am Gesicht und Oberkörper des Geistlichen, starke Beschädigungen auf. Die Frage, ob die aufliegenden Teile des liturgischen Gewandes, wie Pallium oder Zierstreifen der Dalmatik, nachträglich abgemeißelt wurden oder ursprünglich nur aufgemalt waren, muss offen bleiben.5​ Schulze-Dörrlamm plädiert in einer umfangreichen Argumentation, dass der Stein Teil eines Grabmales auf dem Reliquiengrab des hl. Bonifatius gewesen sei, das von Hrabanus Maurus um 850 gestiftet wurde.6​ Somit muss diesem Denkmal eine weitere, in den Gedichten des Hrabanus Maurus überlieferte Grabinschrift (C) zugewiesen werden, die wahrscheinlich an einem Pfeiler in der Nähe des Reliquiengrabes aufgemalt gewesen war.7​ Fritz Arens war der Ansicht, dass dieses Gedicht nie als Inschrift existiert hat, und verzichtete daher darauf, die Verse in seine Inschriftensammlung aufzunehmen.8​ Der Text des von Hrabanus Maurus verfassten Gedichtes ist in einer süddeutschen Handschrift aus dem 10. Jahrhundert nachgewiesen.9​ In diesem Codex waren die Verse mit folgender Überschrift versehen: „IN ECCLESIA SANCTAE MARIAE IVXTA SEPVLCHRVM SANCTI BONIFACII“. Da diese Überschrift das Reliquiengrab in einer Marienkirche verortet, muss diese auch als ursprünglicher Standort des „Priestersteines“ gelten, sofern man dessen Deutung als Bonifatiusstein akzeptiert. Immerhin beziehen sich die Verse auf ein Denkmal über dem Grab, das anscheinend gut sichtbar war und auch zur Fürbitte für den Stifter Hrabanus auffordern sollte. Die Frage, ob es sich bei dieser karolingischen Marienkirche um eine eigenständige Kirche nördlich der heutigen Johanniskirche gehandelt hat10​ oder um eine Marienkapelle, die der Johanniskirche, dem alten Dom, angeschlossen war11​, bleibt offen.
Abbildungen
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Nr
URL
Copyright
Beschreibung
Abbildungen
1
Reliquiengrab des hl. Bonifatius, Vorderseite
Abbildungen
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Reliquiengrab des hl. Bonifatius, Rückseite
Abbildungen
3
Reliquiengrab des hl. Bonifatius, Vorderseite, Detail
Abbildungen
4
Reliquiengrab des hl. Bonifatius, Rückseite, Detail
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27.03.23, 16:10